BFB-Fachkräftekonferenz „Wie arbeiten wir morgen und mit welchen Qualifikationen in Deutschland und Europa?“
Eingangs begrüßte BFB-Präsident Friedemann Schmidt die knapp 150 Gäste und die hochkarätigen Expertinnen und Experten. Dabei präsentierte der BFB seinen neuen Kurzfilm, der prägnant die – angesichts von mehr als 340.000 offenen Stellen – äußerst angespannte Fachkräftesituation der Freien Berufe und daraus resultierende Folgen skizziert. Schmidt betonte den großen gesellschaftlichen Stellenwert der Arbeit der Freien Berufe und ihrer Teams. Diese lasse sich nicht einfach einstellen. „Sie leisten nicht nur einen großen Teil der Daseinsvorsorge – das, was Menschen existenziell benötigen –, sondern auch Zukunftsaufgaben wie Klima- und Nachhaltigkeitsprojekte können ohne die Expertinnen und Experten vieler Freier Berufe eben nicht umgesetzt werden, von der Krisenbewältigung in den vergangenen Jahren ganz zu schweigen.“
In ihrer Rede umriss Bettina Stark-Watzinger MdB (FDP), Bundesministerin für Bildung und Forschung, die Fachkräftesituation aus der Perspektive ihres Ressorts und im Hinblick auf Digitalisierung, Dekarbonisierung sowie Diversifizierung. Und sie adressierte die Freien Berufe: „Nirgendwo weiß man besser, wie wichtig es ist, qualifiziertes Personal zu haben und auch zu halten, Fachkräfte, Macherinnen und Macher, die auf der Höhe der Zeit sind.“ Der Fachkräftemangel sei längst auch bei den Freien Berufen angekommen. Das sei auch eine Bedrohung für unser Land und betreffe auch Patientinnen, Mandanten, Klientinnen und Kunden. „Wir brauchen Freie Berufe, Deutschland braucht sie“, so Stark-Watzinger. Der Gemeinwohlbezug ist auch für die Bundesministerin ein Pluspunkt beim Werben um Fachkräfte in spe. Junge Menschen suchten auch Sinn in ihrer zukünftigen Tätigkeit. Wo gehe das besser als bei den Freien Berufen? Zum Schluss hielt sie fest: „Wenn uns zu viele Talente fehlen für die Freien Berufe und den Dienstleistungssektor, dann heißt es umsteuern. Und das machen wir, zusammen mit dem BFB.
Das erste Panel mit dem Titel „Qualifikationen, Digitalisierung und Fachkräftemangel – Potenziale erkennen und nutzen“ bereicherten Henning Ehrenstein, Vertreter der Europäischen Kommission und Referatsleiter in der Generaldirektion Binnenmarkt, Jana Schimke MdB (CDU), unter anderem stellvertretende Bundesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, sowie Ralf Strehlau, Präsident des Bundesverbands Deutscher Unternehmensberatungen. Überdies wurde die Expertise von Dr. Dirk Michel, wissenschaftlicher Leiter des Instituts Freier Berufe NRW, eingebunden. Das Panel moderierte Luca Samlidis, Journalist und PR-Manager. Diskutiert wurden zahlreiche Facetten und Fragestellungen des Fachkräftemangels. So ging es um die Auswirkungen auf den Führungsstil, Diversität in Teams, qualifizierende Ausbildung, die besonderen Herausforderungen für KMU sowie Künstliche Intelligenz mit Human-Oversight als Lösungsansatz sowie dafür erforderliche Investitionen. Die Runde weitete den Blick auch geografisch und thematisierte das jüngst gestartete „Europäische Jahr der Kompetenzen“ und den Wert von gemeinsam erarbeiteten Best-Practices auch auf europäischer Ebene.
Im Tandem loteten Cathi Bruns, Unternehmerin, Expertin für Selbstständigkeit sowie Unternehmertum, und Holger Schäfer, Senior Economist für Beschäftigung und Arbeitslosigkeit beim Institut der Deutschen Wirtschaft, die Entwicklungslinien auf dem deutschen Arbeitsmarkt im Licht von New Work aus. Allen voran hielten sie fest, dass die Digitalisierung allein nicht die Arbeitskräfteknappheit kompensieren kann. Vielmehr brauche es eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes sowie mehr Unterstützung für Unternehmertum und Selbstständigkeit. So sollten etwa Ungleichbehandlungen von Selbstständigen gerade im Sozialstaat abgeschafft werden.
Das zweite Panel unter der Überschrift „Die Fachkräftelücke schließen, Chance Integration“ bestritten vor allem Praktiker wie Mohammadi Akhabach, Unternehmer, Investor und Start-Up-Experte, Dr. Markus Eickhoff, Geschäftsführer des Kuratoriums der Deutschen Wirtschaft für Berufsbildung, Auguste Hennecke-Bauernfeind, VerA-Regionalkoordinatorin Berlin, und Hannelore König, Präsidentin des Verbands medizinischer Fachberufe. Dr. Michael Blank, Geschäftsführer des Senior Experten Service (SES), moderierte das Panel, welches den Fokus auf die praktische Dimension des Fachkräftemangels und eine bessere Integration von neuen Arbeitskräften legte. Bei der Eingliederung ausländischer Fachkräfte sei vor allem ein rundum abgestimmter Onboarding-Prozess entscheidend, der alle Schnittstellen einbinde, von der Ausländerbehörde bis hin zur Botschaft und den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern. So können Synchronisierungseffekte entstehen und Kulturkompetenz gefördert werden. Menschen mit ausländischen Wurzeln können mit ihren zusätzlichen Sprachkenntnissen und ihrer interkulturellen Kompetenz Teams bereichern – so eine der Botschaften. Und dass die Freien Berufe bei der Integration in der beruflichen Bildung Vorbild sind: Mit rund 19,5 Prozent weisen die Freien Berufe den höchsten Ausländeranteil unter allen Ausbildungsbereichen auf.
Zum Finale präsentierte BFB-Präsident Friedemann Schmidt aus Sicht der Freien Berufe zentrale Einordnungen und Forderungen zur Zukunftsaufgabe Fachkräftesicherung. Diese waren prominent als Plakat aufbereitet, auf dem jede und jeder beim Übergang zum geselligen Teil per Unterschrift ihre und seine Zustimmung dokumentieren konnte.
In der in die Konferenz integrierten Expert-Area wirkten insbesondere die Stiftung Begabtenförderung berufliche Bildung (SBB), die Initiative zur Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen (VerA/SES), das Projekt Barrierefrei Existenzgründen. Selbständig und erfolgreich im Erwerbsleben mit Behinderung (BESSER), das Förderprogramm Kompakte Hilfe für Soloselbstständige (KOMPASS) und die Deutschlandstiftung Integration mit. Überdies wurde in der Expert-Area auch der Relaunch des Jobportals des BFB in Kooperation mit dem Bundesverband Deutscher Unternehmensberatungen vorgestellt.
Mehr Informationen sowie der BFB-Film zur Fachkräftesituation sind hier zu finden.