Interview: Imke in Italien
© Imke Jobelius

Arbeiten, wo andere Urlaub machen, und dabei das eigene Handwerk neu entdecken. Imke Jobelius verbringt im Rahmen ihrer Ausbildung drei Monate in Italien. Im kleinen Örtchen Vicenza, zwischen Gardasee und Venedig, lernt die angehende Konditorin alles über leckere italienische Küchlein. Möglich macht dies das Programm „Berufsbildung ohne Grenzen“ von DIHK und ZDH, gefördert vom BMWK. Imke erzählt, warum der Austausch für sie eine unschätzbare Erfahrung ist und was sie von dem Praktikum in Italien mit zurück nach Deutschland bringt. Der Auslandsaufenthalt wurde mit dem Bildungsprogramm Erasmus+ finanziert.

Der Betrieb

Ich war sehr aufgeregt, aber ich habe mich mehr darauf gefreut, als dass ich aufgeregt war. Das Café heißt Pasticceria Bolzani. Es ist ein kleiner, süßer Laden in Vicenza. Die Theke ist ziemlich klein, aber voller Törtchen. Doch wenn du in die Backstube kommst, gibt es über mehrere Flure und Gänge verschieden große Räume und einen großen Backraum, wo die Öfen sind. Und weiter oben ist ein Raum nur für Schokolade. Dort werden Schaustücke gemacht, Schokoladeneier, Osterhasen, Nikoläuse und solche Dinge.

Teamwork - mit Händen und Füßen

Im Team kann keiner Englisch – das war eine Überraschung für mich. Aber irgendwie ist es kein Problem, weil wir mit Händen und Füßen reden. Die Kollegen haben mir die Rezepte gezeigt und erklärt, was wie auf italienisch heißt. Sie sind dann wirklich mit mir zur Butter gelaufen und haben mir das italienische Wort für Butter beigebracht. Und irgendwann hatte ich es auch drauf, weil ich die Wörter tagtäglich benutze.

Die Mitstreiter

Ich wollte auf jeden Fall ein Praktikum im Ausland machen. Als ich erfuhr, dass es in Italien einen guten Betrieb gibt, habe ich mich für Vicenza entschieden. Die anderen zwei Konditorinnen – eine ist sogar Konditor-Meisterin, haben sich später angemeldet. Ich habe mich von Anfang an gut mit ihnen verstanden. Sie sind zwar in einem anderen Betrieb, aber wir teilen wir uns eine Wohnung und kommen sehr gut miteinander klar. Abends essen wir zusammen. Dann setzen wir uns oft auf den Balkon, weil meistens schönes Wetter ist. Und hier um die Ecke haben wir den besten Pizzaboten.

"Bei einem Auslandspraktikum lernst du Dinge, die es in Deutschland in der Ausbildung vielleicht so nicht gibt, oder die anders sind. Du arbeitest mit ganz anderen Techniken und auch die Grundrezepte sind anders als in Deutschland."


Zeit für Entdeckungen

Dadurch, dass die anderen Azubis auch hier sind, habe ich Menschen, mit denen ich mal Deutsch reden kann. Und wir können zusammen die Stadt erkunden. An sich ist es schwierig, hier neue Leute kennenzulernen, weil kaum jemand Englisch spricht. Wir haben zusammen schon viel entdeckt und das ist besonders schön: Wir machen hier nicht einfach nur eine Ausbildung, sondern lernen durch den Aufenthalt im Ausland auch eine neue Stadt, ein neues Land und eine neue Kultur kennen. Hier im Ort gibt es zum Beispiel den Monte Berico, einen Berg mit einer mega langen Treppe und einer Kirche, von dem aus du einen Blick über die gesamte Stadt hast. Wir sind auch schon mit dem Auto zum Gardasee gefahren. Und es gibt auch eine Kleinstadt zum Shoppen.

Der Blick über den Tellerrand

Bei einem Auslandspraktikum lernst du Dinge kennen, die es in Deutschland in der Ausbildung vielleicht so nicht gibt, oder die anders sind. Bei der Ausbildung zur Konditorin in Deutschland werden große Torten gemacht – Schwarzwälder, gedeckter Apfelkuchen und so etwas. Und hier ist es dann eher französische Patisserie. Also kleine Tartes, Eclairs und solche Dinge, die in Deutschland nicht so üblich sind. Du arbeitest mit ganz anderen Techniken und auch die Grundrezepte sind anders als in Deutschland.

Außerdem ist es wie Arbeit und Urlaub gleichzeitig. Wenn du Feierabend hast, kannst du quasi Urlaub machen. Du kannst rausgehen, die Stadt erkunden oder einfach zum Strand gehen – und viele andere Dinge, die du zu Hause wahrscheinlich nicht machen kann. Es lohnt sich auf jeden Fall. Wenn ich nur in Deutschland bleiben würde, würde ich nur die Basics lernen. Wer viel in anderen Ländern arbeitet, bekommt von allem etwas mit und hat danach neue Techniken drauf. Ich kann mir alles aufschreiben und sollte ich mich selbstständig machen, habe ich Rezepte aus aller Welt, die ich auch verwenden kann.

"Du lernst nicht nur neue Dinge im Betrieb im Ausland, sondern bekommst auch etwas von der Kultur und dem Land mit. Es ist arbeiten und Urlaub gleichzeitig. So eine Gelegenheit bekommst du nicht oft."


Die beste Rezept-Entdeckung

Es gibt hier so kleine Küchlein, ich weiß leider nicht mehr, wie sie heißen. Sie werden mit einer Art Mürbeteig gemacht. Doch statt der zwei Teile Zucker werden hier Mandeln und Zucker gemischt. Dazu kommen ein Teil Butter und drei Teile Mehl. Darauf kommt eine Vanillecreme, allerdings mit Reis aufgekocht und mit Eigelb. Am Ende wird alles mit ganz viel Obst dekoriert und mit Guss abgeglänzt. Das habe ich in Deutschland so noch nie gesehen.

Raus aus der Komfortzone

Wenn du einen Plan hast, dann kann eigentlich nichts mehr schiefgehen. Es gibt meistens eine Stadt in der Nähe, Supermärkte gibt es auch überall, und zur Not kannst du immer jemanden fragen. Das funktioniert auch mit einem Google-Übersetzer, wenn die Person kein Englisch sprechen sollte. Das habe ich schon gemacht und da guckt auch keiner doof. Die Leute freuen sich, wenn sie dir helfen können.

Ab ins Ausland – Ja oder Nein?

Ich kann das Programm Berufsbildung ohne Grenzen sehr empfehlen. Du lernst nicht nur neue Dinge in einem neuen Betrieb im Ausland, sondern bekommst auch etwas von der Kultur und dem Land mit. Es ist arbeiten und Urlaub gleichzeitig. So eine Gelegenheit bietet sich nicht oft. Und es gibt auch ein Stipendium, das du beantragen kannst.

Weitere Informationen:

www.berufsbildung-ohne-grenzen.de

Erasmus+


Video: "Berufsbildung ohne Grenzen"

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